Potsdamer Platz, Ernst Ludwig Kirchner (1914)
Kirchners Gemälde "Potsdamer Platz" stellt einen Schlüsselmoment in seiner künstlerischen Interpretation vertrauter Stadträume dar. Das großformatige Werk erfasst minutiös die Topografie des Platzes mit der markant geschwungenen Fassade des Vergnügungspalastes mit dem legendären Café Piccadilly (später in Café Vaterland umbenannt), dem Haupteingang des Potsdamer Bahnhofs und dem teilweise sichtbaren Siechen. Die Verkehrsinsel im Vordergrund ist zwar historisch korrekt, wird aber als Bühne für zwei elegante Damen der Nacht neu inszeniert und verdeutlicht den Wandel des Platzes vom Geschäftszentrum bei Tag zum nächtlichen Rotlichtviertel.
Das Gemälde gewann nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zusätzliche symbolische Tiefe, als Kirchner den Schleier der Schwarzen Witwe hinzufügte - ein patriotisches Modestatement im Berlin von 1914, das Solidarität mit den Kriegsopfern zeigte.
